«Die Pandemie hat uns verändert und in jedem von uns Bilder hinterlassen»

Es begann mit einem grossen Knall – und verklingt nun beinahe geräuschlos, jedenfalls vorerst. Die Corona-Pandemie hat die Welt in den letzten zwei Jahren auf den Kopf gestellt und unser Leben in allen Bereichen geprägt. Für mich persönlich startete die Pandemie am 28. Februar 2020 mit einem Paukenschlag: Meine Regierungskolleginnen und ich mussten die Basler Fasnacht absagen. Seit dann befanden wir uns im Krisenmodus. Vieles musste entschieden und organisiert werden, oftmals ohne eindeutige Entscheidungsgrundlage. Nun hat der Frühling 2022 das Ende der besonderen Lage mit sich gebracht, die offizielle Rückkehr zur Normalität. Wobei sich in einer Zeit, in der erstmals seit Jahrzehnten wieder Krieg mitten in Europa herrscht, wenig nach Normalität anfühlt.

Auch wenn die akute Corona-Krise vorbei ist, wird uns das Virus noch lange begleiten. Dennoch konnten wir die Situation inzwischen mithilfe einer Reihe von Massnahmen und eines gesellschaftlichen Gemeinschaftsefforts bewältigen. Wir waren am Segeln, als wir plötzlich Wellenreiten lernen mussten. Die Sturzwelle Corona hat uns mitgerissen und immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Zusammen mit Baselland konnten wir viele Aufgaben partnerschaftlich bewältigen, insbesondere im Bereich der Ver­sorgung. Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegende und weitere Mitarbeitende des Gesundheitswesens haben in den vergangenen zwei Jahren in den Spitälern, Ambulatorien und Praxen Ausserordentliches ge­leistet. Für diesen unermüdlichen und aufopfernden Einsatz möchte ich unserem Gesundheitsper­sonal
an dieser Stelle aufrichtig danken.

In anderen Bereichen, etwa beim Testen oder Impfen, arbeiteten wir auf Kantonsebene und bauten vor Ort in Windeseile Infrastrukturen und Personalkapazi­täten auf. Eine Hauptrolle in der Bewältigung des ­Virus spielte die Impfung. In Rekordzeit wurden in­nerhalb weniger als eines Jahres sichere und wirksame Impfstoffe gegen Covid-19 entwickelt und zugelassen. Mit der Impfung konnte insbesondere die vulnerable Bevölkerung vor schweren oder gar töd­lichen Krankheitsverläufen geschützt werden.

Über die Impfung wurde so emotional diskutiert wie über keine andere Massnahme. Aber auch Maskenpflicht, Schulschliessungen und Veranstaltungs­verbote wurden in der Schweiz von 8,6 Millionen Virologinnen und Epidemiologen hitzig debattiert. Waren die Massnahmen zu streng oder doch zu locker? War der Föderalismus eine Erschwernis oder hilfreiches Puzzlestück des Schweizer Krisenmanagements? Kommt die Digitalisierung im Gesundheitswesen nun besser in Gang? Wir werden wohl noch so manche Evaluation vornehmen und erst mit einem gewissen Abstand abschliessend Lehren aus der Pandemie und deren Bewältigung ziehen können. Im Hinblick auf die gemässigten Massnahmen, die vergleichsweise tiefe Zahl an Todesfällen und die stabile Wirtschaft meine ich aber schon heute, dass die Schweiz durchaus ­vieles richtig gemacht hat in den letzten zwei Jahren.

Für die Ärztinnen und Ärzte hat die Pandemie eine grosse Neuerung mit sich gebracht: noch nie wurden so hochkomplexe wissenschaftliche Themen aus ­ihren Fachgebieten von einem derart breiten Laien­publikum diskutiert. Ob am Stammtisch oder in den Kommentarspalten von Boulevardmedien – plötzlich debattierten alle über Vektorimpfstoffe und Virusmutationen. Die Ärzteschaft muss sich nun darauf einstellen, dass das Interesse an medizinischen Themen hoch bleiben wird und öffentliche Medizindiskussionen auch nach Abflachen der Pandemie kontrovers bleiben werden. Das ist zwar anstrengend – aber auch gut so. Gesundheit geht uns schliesslich alle an.

Wie können wir also dieses Momentum nutzen? Zum Beispiel, indem wir davon Gebrauch machen, dass sich so viele Menschen wie nie zuvor mit dem Thema Impfung auseinandergesetzt haben. Über 70 Prozent der Schweizer Bevölkerung haben sich gegen Covid-19 impfen lassen. Bei gewissen Basisimpfungen wie jenen gegen Masern oder HPV zeigte sich während
der Pandemie ein gewisser Rückgang – hier wäre es wünschenswert, eine höhere Quote zu erreichen.

Auch in vielen anderen Bereichen wird uns Corona noch lange begleiten. Viele Evaluationsprojekte laufen, auch bei uns im Kanton Basel-Stadt. Bei allem Evaluieren und Reflektieren dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. Wir konnten nun in mehreren Zyklen eine Immunität aufbauen und das Virus wurde durch die Verbreitung abgeschwächt. Aber wir müssen dafür gewappnet sein, dass Covid-19 auch diesen Herbst zurückkommen wird und möglicherweise wieder schwerere Verläufe auftreten werden.

Die Pandemie hat uns verändert und in jedem von uns Bilder hinterlassen – von menschenleeren Innenstädten und leergeräumten WC-Papier-Regalen, von langen Schlangen vor den Impfzentren oder «maskierten» Familientreffen. Viele Massnahmen hatten als primäres Ziel, die Menschen vor einer Virusübertragung zu schützen. Dieser Zwangsabstand war für viele Leute eine Belastung. Umso dankbarer sind wir nun für wiedergewonnene Freiheiten. Diese sollten wir mit einem gesunden Mass an Eigenverantwortung geniessen.

Dr. iur. Lukas Engelberger

Dr. iur. Lukas Engelberger

Regierungsrat und Vorsteher des Gesundheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt