«Eine intensive und teilweise auch belastende, aber doch insgesamt sehr lehrreiche Zeit»
Als ich am 14.3.2020 auf der Rückreise aus dem Wochenende, welches wir aufgrund der ausserordentlichen Lage abbrechen mussten, am Telefon zusagte, dass ich zusammen mit Tom Goetz die ärztliche Co-Leitung der COVID-19-Abklärungs- und Teststation (ATS) in der Mehrzweckhalle in Münchenstein übernehmen werde, hatte ich keine Ahnung was da die nächsten zwei Jahre auf mich zukommen würde. Tags zuvor hatten wir uns die Teststation des USB in der Predigerkirche angeschaut, und nun sollten wir zusammen mit dem Krisenstab eine ähnliche Station aufbauen und einrichten. COVID war noch weit weg, erste Fälle in der Schweiz waren zwar schon bekannt, aber niemand wusste, was das bedeuten würde, und niemand konnte sich das enorme Ausmass, das die Pandemie annehmen würde, zu diesem Zeitpunkt richtig vorstellen.
Bereits am Folgetag – einem Sonntag – fand ein intensiver Stabsarbeitstag mit dem Krisenstab Baselland statt. Für jede der beiden Abklärungs- und Teststationen wurde ein Führungsteam zusammengestellt,
das bis heute immer noch die ATS leitet. Plötzlich befanden wir uns in der Situation, in Szenarien denken zu müssen, die wir – oder mindestens ich – bis zu diesem Zeitpunkt nur aus Katastrophenkursen und Lehrbüchern kannten, und keiner von uns wusste, wie es wirklich sein würde. Beeindruckend war, wie uns all die Berufsgattungen (zuvorderst der Zivilschutz und das Militär) als Mitglieder des Krisenstabes mit enormer Effizienz unterstützten und wir damit trotz des enorm hohen Zeitdruckes innerhalb von vier Tagen eine funktionierende Abklärungsstation für potenzielle COVID-19-Patienten auf die Beine stellten.
Erst mit der Aufnahme der effektiven klinischen Tätigkeit in den ersten Wochen in der ATS lernten wir, was COVID bedeutet, wie wir damit umgehen mussten und was es für Auswirkungen auf Patienten und unser Gesundheitswesen haben wird. Die initial angedachten Prozesse mit Abwarten des Befundes bis zur Weiterleitung der Patienten mussten bereits nach wenigen Tagen wieder revidiert werden, da
die Suche nach SARS-CoV-2 mittels PCR doch länger dauerte als angenommen, womit die Triage nach Abklärung komplett anders verlaufen musste. Auch im weiteren Verlauf der Zeit mussten Prozesse laufend an die neue Pandemiesituation angepasst werden, und das Führungsteam, bestehend aus Tom Goetz, Tanja Renz, Chiwith Baumberger und mir, musste hohe Flexibilität an den Tag legen. Häufig wurden Änderungen im Umgang mit der Pandemie über Nacht bekannt und wurde deren Umsetzung innert weniger Tage gefordert. Wir arbeiteten häufig – neben unserer sonstigen Praxistätigkeit – oft Tag und Nacht noch für die ATS, organisierten Rapporte, Sitzungen, nahmen an Krisenstabs-Arbeitstagen teil und motivierten unsere Mitarbeiter in der Station bei Massenandrang und auch bei tiefen Patientenzahlen.
Es war rasch klar, dass wir Daten zu den Patienten erheben mussten, um besser und schneller reagieren zu können. Und so konnten Miodrag Savic und Fabian Rudolf als Wissenschaftsteam mehrere kleine, aber doch für das weitere Verständnis der Erkrankung relevante Studien konzipieren und wir die erste Serothek von SARS-CoV-2 Erkrankten erstellen, um die auf den Markt drängenden verschiedenen Tests zur Diagnose der Krankheit zu evaluieren. Auch dieses Team arbeitete Nächte durch, um Studienanträge innert Tagen zu erstellen.
Im Sommer 2020 wähnten wir uns alle schon in Sicherheit, die Infektionszahlen gingen zurück, in der ATS wurde es zeitweise sogar langweilig ruhig, sodass klar war, dass die Stationen in Münchenstein und in Lausen rückgebaut werden sollten. Trotz allem trauten wir, allen voran Tom Goetz und Conni Müller, der Ruhe nicht. Die AEGBL setzte sich in Erwartung einer neuen Infektionswelle unter Nachdruck für einen Neuaufbau einer ATS an zentraler Lage ein. Im Spenglerpark in Münchenstein konnte eine deutlich kleinere Lokalität gefunden werden, wo eine neue Station nach dem Vorbild einer Arztpraxis eingerichtet wurde. Das Führungsteam wurde beibehalten, neu wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht, und weiterhin sollte eine ärztliche Beurteilung vor Ort durch Mitglieder der AEGBL gewährleistet werden. Die ATS wurde nun dem VGD unterstellt und der Krisenstab zog sich ein erstes Mal aus der Führung zurück.
Bereits in den ersten Wochen nach den Sommerferien stiegen die Infektionszahlen wieder an und wir bauten die Teststation aus, passten die Prozesse an, stellten mehr Personal an, um dann doch noch im Herbst zu bemerken, dass der neue Standort ungeeignet war. Mit dem Kanton besichtigten wir im November das nicht mehr als Bundesasylzentrum benötigte Areal Feldreben, das anschliessend zur neuen Teststation umgebaut wurde. Auch diesmal wieder unter enorm effizienter Mitarbeit des Zivilschutzes und der seit dem Spenglerpark integrierten Security. Der Wechsel vom Spenglerpark ins Feldreben erfolgte in einer Nacht von einem Freitag ab
18 Uhr nach Schliessung im Spenglerpark auf den Samstag Morgen unter kräftiger Mitarbeit aller, des Leitungsteam, inkl. von dessen Kindern, des Zivilschutzes und der Security. Der Umzug kam zur richtigen Zeit, denn exakt ab dem Zeitpunkt des Umzuges stiegen die Fallzahlen laufend an und gipfelten im Januar 2021 mit über 3000 Personen pro Tag. Dies bedeutete wiederum beinahe wöchentliche Anpassungen der Prozesse, Optimierung und Motivation des Personals, welches teilweise seit nunmehr als 2 Jahren diese Phasen mitmacht.
Seit Beginn der Pandemie wird die ATS 7 Tage die Woche betrieben und selbst für die Feiertage konnte unser Personal motiviert werden. Dies beeindruckt mich noch heute immer wieder. Im Sommer 2021 gab es eine kleine Veränderung im Führungsteam, Tom Goetz zog sich aus der operativen Leitung zurück und Kirsten Beckers übernahm mit mir die ärztliche Co-Leitung. Zudem wurde zur Entlastung des Führungsteams ein Team von Tagesleitern eingesetzt. Insgesamt blieb aber das Team über die ganze Periode hinweg konstant und damit konnte die Effizienz der Station über die ganze Zeit aufrechterhalten werden.
Nun soll diese durch die AEGBL in Zusammenarbeit mit dem VGD aufgebaute ATS ab Sommer 2022 geschlossen werden, und private Institutionen sollen die weitere Testung, sofern noch notwendig, übernehmen. Damit geht für mich eine sehr intensive und teilweise auch belastende, aber doch insgesamt sehr lehrreiche Zeit zu Ende. Seit Beginn der Pandemie vor 2 Jahren haben wir alle viel über COVID gelernt, und ich bin zuversichtlich, dass wir die Pandemie nun weiter mit den zivilen Strukturen im Griff behalten können und hoffentlich für eine nächste Pandemie etwas besser vorbereitet und gerüstet sind.

Dr. med. Lukas Mundorff
Dr. med. Lukas Mundorff ist seit 15.3.2020 Ärztlicher Leiter COVID-19 Abklärungsstation des Kantons Basel-Landschaft (ATS)