Dämpfer für die Kostensteuerungspolitik des Gesundheitsministers

Der Ständerat hat am 9. Dezember 2021 in der Wintersession einen wichtigen Entscheid für den Erhalt der guten medizinischen Versorgung in der Schweiz gefällt. Der Gesetzesartikel, der die Tarifpartner verpflichten wollte, sich zwecks Kostensteuerung auf ungenügende Tarifierungen der Leistungen der Ärzte und Spitäler zu einigen, wurde definitiv verworfen. Im Parlament verbleibt damit nur noch eine systemverändernde Kostensteuerungs-Massnahme in der Beratung: das Kostenziel für die OKP.

Degressive Tarife, Tarifsenkungen oder Rückzahlungen. Das hätten die Tarifpartner in den Verträgen vorsehen müssen, wären die von ihnen vereinbarten ­Kostenvolumen überschritten worden. So hatte es der Gesundheitsminister gewollt. Damit ist er in beiden Räten gescheitert. In der Wintersession verwarf nach dem ­Nationalrat auch der Ständerat eine Massnahme, welche für Ärztinnen und Ärzte ungenügende Tarifierung ihrer Leistungen und für Patientinnen und ­Patienten die Vorenthaltung medizinisch notwendiger Leistungen zur Folge gehabt hätte.

Die im Amtsdeutsch als Massnahme der Tarifpartner zur Steuerung der Kosten bezeichnete Massnahme war im zweiten Teil des Kostendämpfungspakets 1 enthalten. Diese kostensteuernde Massnahme, welche den Bund ermächtigt hätte, selbst Massnahmen zu ergreifen, wenn sich die Ärzte mit den Versicherern nicht auf Tarifkürzungen geeinigt hätten, bildete zusammen mit dem Projekt Kostenziele für die OKP das einschneidendste Instrument des Gesundheits­ministers zur Intervention in das Schweizer Gesundheitswesen.

Ein guter Tag für das Gesundheitswesen
Der Sitzung des Ständerats vom 9. Dezember ging die Einreichung eines überraschenden Einzelantrags von Ständerat Würth (Mitte/SG) am Vorabend voraus. Der Antrag Würth wollte neben dem Bund zusätzlich die Kantone zur subsi­diären Kostensteuerung für den Fall ermächtigen, dass sich die Tarifpartner nicht selbst auf Kostensteuerung ge­einigt hätten. In einer ersten Abstimmung setzte sich dieser Antrag von Ständerat Würth mit 26:17 Stimmen gegen den bundesrätlichen Vorschlag zur Kostensteuerung durch die Tarifpartner durch. In der zweiten Abstimmung obsiegte aber der Antrag von Ständerat ­Müller (FDP/LU), welcher die Kommis­sionsminderheit vertrat und die Streichung beantragte, gegen den Einzel­antrag von Ständerat Würth mit 21:20 bei 3 Enthaltungen. Ausschlaggebend
für die Eliminierung der Massnahme der Tarifpartner zur Steuerung der Kosten und damit für die Niederlage des Gesundheitsministers war der Stichentscheid des neuen Ratspräsidenten Hefti (FDP/GL).

Das parteipolitische Abstimmungsverhalten der Ständeräte war identisch mit jenem der Nationalräte in der Sondersession 2020, als in der Grossen Kammer die problematische Kostensteuerungsmassnahme mit 91:90 Stimmen abgelehnt wurde. Ständerat Müller wurde von den FDP- und SVP-Ständeräten unterstützt sowie von vier Mitte-Ständeräten. Die SP und die Grünen votierten geschlossen für die Massnahme des sozialdemokra­tischen Gesundheitsministers. Unterstützt wurden Letztere von der Mehrheit der Mitte-Deputation im Ständerat. Der Partei- und Fraktionsspitze der Mitte wäre es sehr entgegengekommen, wenn der Ständerat den Bundesrat oder den Antrag Würth unterstützt hätte. Die Mitte-Partei schleppt mit ihrer Kostenbremse-Initiative aus der Zeit der letzten eidgenössischen Wahlen eine Altlast mit, welche sie zu entsorgen trachtet. Denn eine Volksabstimmung über diese Initiative erscheint nicht erfolgversprechend zu sein. Die Parteispitze nimmt bei ihren taktischen Manövern einiges in Kauf, namentlich Risiken für die gute medizinische Patientenversorgung in der Schweiz. Es wird interessant zu beobachten sein, wie sich die Mitte-Partei in der Diskussion über den indirekten Gegenvorschlag zu ihrer Kostenbremse-Initiative, den Kostenzielen für die OKP, positionieren wird.

Kein Dämpfer für staatliche Interventionspläne
Die NZZaS schrieb am 21. November 2021 zu Recht, dass die Initiative der Mitte «Bundesrat Berset eine Steilvorlage liefert, um noch wesentlich einfacher in die ärztliche Behandlungsfreiheit einzu­greifen», als es mit der nun abgelehnten Kostensteuerungsmassnahme der Tarifpartner vorgesehen war. «Der vorgelegte indirekte Gegenvorschlag gäbe dem Bund ganz direkt die Möglichkeit, einen Kostendeckel zu setzen.» Die am 10. November 2021 vom Bundesrat an das Parlament überwiesene Botschaft zum ­Kostenziel gibt detailliert Auskunft über die rigorosen Interventionsabsichten des Gesundheitsministers. Der Bundesrat bestimmt. So lautet die zentrale Aussage der Botschaft. Der Bundesrat bestimmt das Kostenziel des Bundes, die Kostenziele der Kantone, die einheitliche Toleranzmarge für alle Kantone, die Richtwerte für die Aufteilung des Wachstums auf die Kostenblöcke in den einzelnen Kantonen und er bestimmt die Kostenblöcke. Und er bestimmt, ob und welche medizinischen Fachrichtungen zusammengefasst werden und ein eigenes ­Kostenziel erhalten.

Die Kostenziel-Vorlage will dem Bundesrat massiv mehr Kompetenzen geben. Nicht nur über die Implementierung des Kostenziels selbst, sondern auch über Interventionen in die Tarife. Neu will der Bundesrat in die stationäre Tarifstruktur eingreifen und im ambulanten Bereich nicht nur die Struktur, sondern auch die Tarifhöhe bestimmen können. Die gesundheitspolitische Diskussion wird 2022 nach heutigem Stand des Wissens von der Pandemie und dem Kostenziel für die OKP geprägt werden. Gleich in der ersten Sitzung der Gesundheitskommission des Nationalrats im Januar sind die Akteure des Gesundheitswesens über ihre Sicht auf die Zielvorgaben angehört worden.

Bruno Henggi

Verantwortlicher Public Affairs der FMH