DRG: Transparenz, Effizienz – oder Menschlichkeit?

Mit den Schlagwörtern «Transparenz» und «Effizienz» wurden die Vorteile der DRGs (Diagnose Related Groups) bei ihrer Einführung 2012 angepriesen. Der Vergleich zwischen Spitälern sollte «transparenter» werden, womit ein «Leistungswettbewerb» zustande käme. So sollten «Fehlanreize im System» beseitigt werden und den Spitälern die Möglichkeit geboten werden, «Sparpotenziale zu nutzen», «Prozesse zu optimieren», die «Effizienz zu steigern» und so Kosten zu sparen. Weiter wurde gesagt, dass durch die DRGs «die Zusammenarbeit zwischen den Fachdisziplinen und Ab­teilungen innerhalb der einzelnen Spi­täler gestärkt» würde und «die kantons­übergreifende Spitalplanung vereinfacht» werden würde. Und die Patienten? Sie sollten «langfristig von einem abgestimmten Behandlungsprozess und zunehmendem Qualitätswettbewerb» profitieren.

Wenn Sie nach dem Lesen des ersten ­Satzes den Rest des obigen Abschnittes überflogen oder übersprungen haben, haben Sie effizient gehandelt – und dabei nichts verpasst. Mit professionell klingenden Wörtern werden DRGs als die einfache Lösung komplexer Probleme dargestellt, als würden sie allein durch ihre Existenz automatisch alle Ungereimtheiten im «System» beseitigen.

Der eingangs zitierte (scheinbar nichtssagende) Wortschwall über den Nutzen der DRGs enthüllt mehr, als man zunächst denkt. Er zeigt, dass es bei den DRGs nur um Aspekte der Wirtschaftlichkeit geht. Spitäler können miteinander verglichen werden («Transparenz»), was zwangsläufig zu einer Konkurrenz untereinander führt («Leistungswettbewerb») und damit zu einem Preisdruck. Dabei werden Spitäler unter den Generalverdacht gestellt, Fehlanreizen nachzu­geben, Sparpotenzial nicht zu nutzen, Prozesse nicht optimiert zu haben und überhaupt ineffizient zu arbeiten – und somit Geld zu verschleudern. Von der mit geschwollenen Worten vorausgesagten Kostensenkung ist nach 10 Jahren DRGs allerdings nichts zu sehen. Das erstaunt nicht: Falls es das postulierte Sparpotenzial überhaupt je gegeben hat, dürfte ­alles Eingesparte dem vermehrten Ad­ministrationsaufwand wegen der DRGs zum Opfer gefallen sein.

Welche Rolle die Patienten im System der DRGs spielen, bleibt weitgehend offen, ausser der rätselhaften Vermutung, dass sie «langfristig vom abgestimmten Behandlungsprozess und dem zunehmenden Qualitätswettbewerb profitieren» könnten. Vielleicht wären ihnen aber eine individuell auf sie zugeschnittene Behandlung lieber? Auch fragt man sich, wie ausgerechnet durch die strenge ­Normierung der DRGs die Vergütung der Spitäler «leistungsgerecht» erfolgen soll (wie behauptet wird), wo doch jeder weiss, dass Krankheitsverläufe so verschieden sind wie die Menschen, die ­davon betroffen sind.

Wenn ich ins Spital muss, suche ich dort nicht «Effizienz» oder «Transparenz», sondern fachlich kompetente Menschen, die mich mitsamt meinen Bedürfnissen wahrnehmen, die ihre wertvolle Arbeit nicht übermüdet tun müssen und die für ihren Einsatz auch recht entlöhnt werden. Im Gegensatz zu DRGs lassen sich solche Menschen nicht in Schlagwörter fassen. Das haben sie auch gar nicht nötig – die Qualität ihrer Arbeit spricht für sie!

Dr. med. Karin Hirschi-Schiegg

Mitglied der Redaktion Synapse