Sammelaktion für die Kinderklinik Ochmatdyt in Kiew

Es waren herzzerreissende, gleichzeitig herzerwärmende Eindrücke, als der ­Moment gekommen war, den Spendencheck der Sammelaktion unseres Rotary Clubs Basel am Rhein an die Kinderklinik Ochmatdyt in Kiew zu überreichen – per Zoom-Meeting zwischen Kiew und Basel Anfang Juni 2022. Bei allen Beteiligten klingt diese virtuelle Begegnung noch immer nach.

Heute, Ende Oktober 2022, rund fünf ­Monate nach Ende unserer Sammel­aktion, spreche ich mit zwei meiner Club-Kolleginnen, der Präsidentin ­Catherine Nertz-Buxtorf und Heike ­Drossard Dierssen, Vorstandsmitglied, Foundation chair. Wir sprechen über ­unseren erst gerade gegründeten Club, über den Prozess, der nach Beginn der Kriegshandlungen in der Ukraine zur Hilfsaktion unseres Clubs führte, und über den Moment der Checkübergabe an das Kinderspital in Kiew.

Clubgeschichte: Empowerment of Women and Children
Es ist eine entschlossene und kraftvolle Frauengruppe, die den Rotary Club Basel am Rhein, einen Frauenclub, vor etwas mehr als einem Jahr, im August 2021, ­initiiert und neu gründet hat und bei dem ich als Gründungsmitglied dabei bin. Wir sind ein themenbezogener Club und damit eine Ausnahme innerhalb der Rotary-Gemeinschaft der Schweiz, unser Leitbild ist das «Empowerment of Women and Children». Wir suchen starke Frauen für ein starkes Netzwerk – eine starke Persönlichkeit kann geben, und zwar nicht unbedingt Geld, sondern Kraft. Kraft in ihren vielen Facetten, um weniger Starke zu unterstützen und
zu stärken. Dieses Empowerment ist das Kernstück unseres Clubs. Der Foundation Chair ist folglich unser wichtigstes Ressort.

Unser junger Club, wenige Monate nach seiner Gründung strukturell noch nicht detailliert durchorganisiert und auch noch nicht krisenerprobt, sah sich Ende Februar 2022 mit den schrecklichen Nachrichten über die humanitäre Kata­strophe durch die Kriegshandlungen in der Ukraine konfrontiert. Wir alle, die hier einen vergleichsweise beschaulichen und unbedrohten Alltag lebten, waren entsetzt, traurig und betroffen. Dem Clubvorstand war sofort klar, dass wir nicht tatenlos bleiben wollen und können, der intuitive Wunsch, zu helfen, musste aber kanalisiert und organisiert werden.

Vernetzung und Soforthilfe-Projekt
Unsere Clubdynamik profitiert von engagierten und etablierten Persönlich­keiten aus der Region Basel und dadurch von einer guten und vielfach schon langjährigen Vernetzung seiner Mitglieder in der Region. Das entschlossene und zielgerichtete Handeln unserer Vizepräsidentin, Susanne Hostettler Birrer, machte es möglich, dass wir uns sehr schnell, ganz konkret und mit voller Kraft als Rotarierinnen einsetzen konnten: Wir stiegen in das Soforthilfe-Projekt ­unseres Partner-Clubs RC Allschwil-­Schönenbuch für das Kinderspital Ochmatdyt mit ein, ein Einsatz zugunsten von Müttern und Kindern in der Ukraine, ganz unserem Clubmotto entsprechend. Und wir beschlossen, Blumen zu ver­kaufen! Gelbe Blumen! An dieser Stelle überlasse ich Susi Hostettler Birrer im nachstehenden Interview dazu gerne das Wort.

Unerprobt – beherzt – erfolgreich
Unser erster Sammeltag war der 16. April 2022, der Ostersamstag, trotz einiger zweifelnder Stimmen innerhalb des Clubs, die diesem Datum schlechte ­Chancen für eine erfolgreiche Sammlung gaben. Wir fühlten, wir haben keine Zeit, um zu planen und abzuwägen. Es war daher alles sehr spontan, unerprobt, ­dafür aber enorm beherzt. Jede unserer Rotarierinnen, die sich beim Mitmachen engagierten, hat mit ihren individuellen Möglichkeiten ihren wertvollen Beitrag geleistet. Und dank Heike Drossard Dierssen, die Erfahrung mit Charity-Aktionen hat, hatte die ganze Aktion auch die ­nötige Struktur. Es ging ja nicht nur um den Ankauf von Blumen, um einen per­sonellen Einsatzplan, Verkaufstisch und Fähnchen, sondern auch um die Gestaltung und das Drucken von Informationsbroschüren, inkl. QR-Code für umfassendere Informationen, um die Etablierung eines praktikablen Zahlungssystems von Bargeld bis Twint. Unsere junge Social-Media-Crew im Club war gefordert und postete für eine breite öffentliche Wahrnehmung unserer Sammelaktion fortlaufend unser Engagement auf Instagram und Facebook. Geschafft – unser Sammelergebnis nach diesem ersten Tag war für uns überwältigend und moti­vierend für mehr.
Die zweite Sammlung, wieder Blumenverkauf, bei der die Erfahrungen vom 16. April schon einfliessen konnten, fand dann ­anlässlich des internationalen ­Rotary ­Action Day am 21. Mai statt. Die bestellten Rosen reichten aber längst nicht aus, wir mussten schon gegen ­Mittag spontan überall in der Stadt nachkaufen, um der Nachfrage einigermassen gerecht zu werden. Unsere Sammlung brachte einen Gesamtbetrag von CHF 10’000.– ein toller Erfolg.

Vorstandssitzung Traktandum 4: Checkübergabe
Für die ohnehin schon beladene Vorstandssitzung im Juni 2022, abgehalten in einem Basler Hintergarten bei hochsommerlichen Temperaturen, stand Punkt 4 nüchtern auf der Traktandenliste: «Zoom-Meeting mit der Kinder­klinik Ochmatdyt in Kiew zur Spen­dencheck-Übergabe». Geplant ist ein 5-minütiges, virtuelles Meeting mit der Medienbeauftragten Anastasia Magerramova des Kinderspitals Ochmatdyt in Kiew. Was daraus wird, ist eine intensive und tief berührende Begegnung zwischen zwei Welten: Dort sitzt diese engagierte junge Frau in den Trümmern und den improvisierten Räumen «ihrer» Kinderklinik – eingeblendet auf dem Bildschirm unseres auf dem Sitzungstisch aufgestellten Desktops – um mit einer kleinen, bebilderten Präsentation Danke zu sagen für die Spende. Hier sitzen die Vorstandsfrauen am runden Sitzungstisch auf einer Basler Privatterrasse in der lauen Sommerabendluft, um den ­offiziellen Akt der Spendenübergabe durchzuführen.

Bombenalarm und grosse Not
Es sind kaum erträgliche Bilder, Berichte über tragische Schicksale und surreal wirkende Zustände, über die uns die 27-jährige Anastasia berichtet. Sie selbst, Medienbeauftragte der Kinderklinik Ochmatdyt, rückte an jenem schrecklichen 24. Februar 2022 mit einem kleinen Koffer und dem Nötigsten an ­ihren Arbeitsort ein – wie das gesamte Team aus Ärztinnen und Ärzten, Pflegerinnen und Pfleger usw. – dass sie für die kommenden zwei Monate ununter­brochen bleiben würden, konnten sie ­damals alle noch nicht wissen. Anastasia machte das, was ihr in ihrer Situation möglich war, getragen vom Wunsch, irgendetwas Hilfreiches tun zu können: Sie fotografierte, dokumentierte und ­postete auf Twitter.

Ihre Bilder von den ersten Tagen des ­Angriffes zeigen die schwer erkrankten Kinder unter onkologischer Therapie und Neugeborene, die im Fundament der Kinderklinik während des Bombenalarms Schutz suchen. Später kommen Bilder von Verletzten, Kinder und Erwachsene, dazu: von Splitterbomben getroffene Mütter mit ihren Säuglingen, aber auch äusserlich nur wenig verletzt, aber psychisch traumatisierte Kinder, deren ­Eltern im Schusshagel verstarben, während sie ihre Kinder schützend umarmten. Es sind Tragödien, die kaum zu ertragen sind und unendlich betroffen und traurig machen. Bei unseren Vorstandsmitgliedern geht diese Begegnung in ihrer Intensität und Nähe trotz virtueller Distanz tief.

Hoffnung
Unser Sammelerfolg war aus Cluboptik grossartig – er kann aber das Leid der ­Betroffenen nicht ungeschehen machen und ist in Anbetracht des ganzen kriegsbedingten Elends ganz klein. Trotzdem hat sich unser Einsatz so sehr gelohnt! Natürlich war das finanzielle Gesamt­ergebnis zugunsten des Kinderspitals Ochmatdyt für uns und uns als Club das Wichtigste und eine grosse Freude, das herzliche und so hautnah spürbare Danke der Empfängerin tat ebenfalls gut. Aber ebenso wertvoll war für jede Einzelne von uns der individuelle Gewinn durch den geleisteten Einsatz: Es bleibt bei uns eine grosse Dankbarkeit, eine persönliche Erleichterung und etwas innerer Frieden zurück, sich für die Linderung einer Notlage, für eine gute Sache, mit einer Aktion für Hoffnung, engagiert zu haben.

Dr. med. Christiane Leupold-Gross

Mitglied der Redaktion Synapse