Die Langzeitfolgen der Covid-19-Pandemie

Seit mehr als zwei Jahren stellt die Covid-19-Pandemie die globale Bevölkerung vor neue Herausforderungen. Dazu gehört unter anderem die Bewältigung der vielseitigen potenziellen Langzeitfolgen der ­Covid-19-Erkrankung. Schon früh konnte beobachtet werden, dass es bei Personen mit einer Covid-19-­Infektion zu einer ähnlichen Persistenz von Symp­tomen kommen kann wie bei anderen Atemwegs­erkrankungen (Nalbandian et al., 2021). Lange gab es keinen einheitlichen Begriff für dieses Phänomen. Die WHO (2021b) stellte eine erste Falldefinition für das sogenannte Post-Covid-19-Syndrom auf, indem sie das Zeitkriterium berücksichtigte. So gehört zu dieser Falldefinition, dass ein Post-Covid-19-Syndrom vorliegt, wenn in der Regel drei Monate nach Auftreten von COVID-19 die auftretenden Symptome mindestens zwei Monate andauern und nicht durch eine ­andere Diagnose zu erklären sind. Neben anhaltender Erschöpfung, Kurzatmigkeit und kognitiven Problemen werden zahlreiche weitere Symptome (anhaltend, fluktuierend oder wiederkehrend) beschrieben, die sich auf die Leistungsfähigkeit auswirken und ­Leidensdruck auslösen können. Die neu gegründeten Spezialsprechstunden an den Kliniken und Spitälern zielen auf eine entsprechend umfassende diagnos­tische Klärung und Behandlung ab.

Mittlerweile gibt es erste Ansatzpunkte zu möglichen Entstehungsmechanismen der Long-/Post-Covid-Symptomatik (Nalbandian et al., 2021; Premraj et al., 2022). Sowohl der Einfluss von virus spezifischen ­pathophysiologischen Veränderungen wie auch der von immunologischen Abweichungen und Schäden durch Entzündungen als Reaktion auf die akute Infektion werden untersucht. Auch das «Post Intensive Care Syndrome», welches Spätfolgen nach ­einer Behandlung auf einer Intensivstation (unabhängig von der Grund­erkrankung) umfasst, kann zu anhaltenden Symptomen führen. Nebst körper­lichen Beschwerden werden auch ­kognitive Einschränkungen sowie Schlafstörungen, Angststörungen und Depression als Spätfolgen einer Corona-Infektion beschrieben (Nalbandian et al., 2021; Premraj et al., 2022). Das Risiko, an einer der genannten psychischen Störungen zu erkranken, ist Studien zufolge bis zu zweimal höher als bei anderen Atemwegs­erkrankungen (Taquet et al., 2021). Der Weg zurück in den Alltag ist für die Betroffenen aufgrund der vielseitigen Symptomatik meist eine grosse Hürde.

Wie Premraj et al. (2022) schildern, kommt es häufig zu einer reduzierten gesundheitsbezogenen Lebensqualität, verstärkter Isolation sowie zu Ängsten und Unsicherheit bezüglich der Einschränkungen und der unklaren Dauer der Symptomatik. Ist eine betroffene Person länger arbeitsunfähig, können auch Sorgen rund um die eigene Arbeitssituation und die Finanzen entstehen. Viele Betroffene sind zudem im Rahmen ihrer Behandlung aufgrund der Komplexität der Erkrankung mit einer Vielzahl an Fachpersonen im Kontakt. Dies kann zusätzlich belasten – neben der Erschütterung im Selbstbild, Ohnmachtsgefühlen, erlebter Hilflosigkeit und eingeschränkter Selbstwirksamkeit. Das zeichnete sich auch im Frühjahr 2021 in der pneumologischen Sprechstunde des Kantons­spitals Baselland ab. Bei Betroffenen, welche in der Pneumologie aufgrund der anhaltenden Lungenproblematik nach Covid-Infektion behandelt wurden, wurden auch depressive Symptome sowie An­passungsschwierigkeiten im beruflichen Alltag be­obachtet.

Um Chronifizierungen entgegenzuwirken, erschien es sinnvoll, in einem interdisziplinären Ansatz die Symptomatik bei Betroffenen früh zu erkennen und mit geeigneten medizinischen und psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten zu unterstützen. So entstand in Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital Baselland die Long-/Post-Covid Sprechstunde in der Psychiatrie Baselland. Seither ist die Long-/Post-Covid-Sprechstunde – neben der Spezialsprechstunde für Schlafstörungen und der Früherkennungs-Sprechstunde für Psychosen – eines der An­gebote der Fachstelle Prävention in der Psychiatrie Baselland (siehe Kasten) zusätzlich zu den bereits etablierten PBL-Spezialangeboten.

Die Behandlung und Unterstützung in der Long-/Post-Covid-Sprechstunde richtet sich nach den aktuellen Empfehlungen der WHO (2021a). Die Vielseitigkeit der Symptomatik erfordert eine klare Diagnostik und Einschätzung, worin der Leidensdruck von Betroffenen besteht. In der Folge besteht die Möglichkeit einer Beratung und Kurzzeitbehandlung oder bei Bedarf eine Zuweisung an entsprechend geeignete psychiatrisch-psychotherapeutische Angebote. Die Kurzzeitbehandlung stützt sich auf Behandlungs­ansätze der kognitiven Verhaltenstherapie, Akzeptanz- und Commitment-Therapie, Schematherapie sowie auf das Energiemanagement. Sie hat zum Ziel, die Betroffenen in ihrer Selbstwirksamkeit und ­Flexibilität im Umgang mit den Spätfolgen zu stärken. In Anbetracht der Komplexität und Heterogenität von Long/Post Covid bleibt es in Zukunft wichtig, verschiedene Fachrichtungen und deren unterschiedliche Perspektiven auf die Symptomatik in der Behandlung von Long-/Post-Covid-Betroffenen miteinzubeziehen (Parkin et al., 2021).

Wann und wo findet die Sprechstunde statt?

• Anmeldung bei marie-noelle.cottens@pbl.ch, 061 553 53 53

• Jeweils montags, mittwochs und donnerstags

• Bienentalstrasse 7, 4410 Liestal

Literatur:

Nalbandian, A., Sehgal, K., Gupta, A., Madhavan, M.V., McGroder, C., Stevens, J.S., Cook, J.R., Nordvig, A.S., Shalev, D., Sehrawat, T.S., Ahluwalia, N., Bikdeli, B., Dietz, D., Der-Nigoghossian, C., Liyanage-Don, N., Rosner, G.F., Bernstein, E.J., Mohan, S., Beckley, A.A., … Wan, E.Y. (2021). Post-acute COVID-19 syndrome. Nature medicine, 27, 601-615. DOI: 10.1038/s41591-021-01283-z

Parkin, A., Davison, J., Tarrant, R., Ross, D., Halpin, S., Simms, A., Salman, R., & Sivan, M. (2021). A Multidisciplinary NHS COVID-19 Service to Manage Post-COVID-19 Syndrome in the Community. Journal of Primary Care & Community Health, (12), 1-9. DOI: 10.1177/21501327211010994

Premraj, L., Kannapadi, N.V., Briggs, J., Seal, S.M., Battaglini, D., Fanning, J., Suen, J., Robba, C., Fraser, J., & Cho, S-M. (2022). Mid and long-term neurological and neuropsychiatric manifestations of post-COVID-19 syndrome:
A meta-analysis. Journal of the Neurological Science, 434, 120162.

Taquet, M., Luciano, S., Geddes, J.R., & Harrison, P.J. (2021). Bidirectional associations between COVID-19 and psychiatric disorder: retrospective cohort studies of 62354 COVID-19 cases in the USA. Lancet Psychiatry, 8, 130-140.

World Health Organization. (2021a, 25.Januar). COVID-19 Clinical management Living guidance. Abgerufen
von https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/338882/WHO-2019-nCoV-clinical-2021.1-eng.pdf

World Health Organization. (2021b, 6. Oktober). Klinische Falldefinition einer Post-COVID-19-Erkrankung gemäß Delphi-Konsens. Abgerufen von https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/350195/WHO-2019-nCoV-
Post-COVID-19-condition-Clinical-case-definition-2021.1-ger.pdf?sequence=1&isAllowed=y

MSc Marie-Noëlle Cottens

MSc Marie-Noëlle Cottens ist Psychologin an der Fachstelle für Prävention der Psychiatrie Baselland. Sie ist im Rahmen der Long-Covid-Sprechstunde, Spezialsprechstunde für Schlafstörungen und Früherkennungssprechstunde für Psychosen tätig.

PD Dr. med. Anastasia Theodoridou

PD Dr. med. Anastasia Theodoridou ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Sie leitet als Chefärztin den Schwerpunkt Kriseninter­vention und die Fachstelle für Prävention.