Praxisassistenz in den Kantonen Basel-Stadt und Baselland – Eine Umfrage zu den Jahren 2016–2021

Hintergrund
Hausärztinnen und Hausärzte gelten als essenzielle Stütze eines Gesundheits­systems und garantieren die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung. In den Kantonen Baselland (BL) und Basel-Stadt (BS) nehmen sie hinsichtlich einer effizienten und kostengünstigen Gesundheitsversorgung eine zentrale Rolle ein.1 Aufgrund der alternden Bevölkerung sowie der zunehmenden Teilzeitarbeit und des hohen Durchschnittsalters (55 Jahre) der aktuell tätigen Hausärztinnen und Hausärzte wird der Bedarf in Zukunft weiter steigen.[2] Die Förderung des Grundversorger-Nachwuchses ist deshalb von enormer Wichtigkeit, um zukünftig eine ausreichende hausärztliche Versorgung in den Basler Kantonen zu gewährleisten.
Die Praxisassistenz bildet das Rückgrat der hausärztlichen Weiterbildung und ist bei der Förderung der Berufswahl zur Hausärztin oder zum Hausarzt von zentraler Bedeutung.[3,4] Seit dem Jahr 2009 bieten die Basler Kantone Praxisassistenz-Programme an, wobei das Basler Institut für Hausarztmedizin (uniham-bb) zusammen mit den Gesundheitsdepartementen der beiden Kantone für die Organisation und Vermittlung der Stellen zuständig ist.[5,6] Zurzeit werden sieben Weiterbildungsstellen à sechs Monate bei einem Arbeitspensum von 100 % im Kanton Baselland und circa sechs Stellen im Kanton Basel-Stadt zur Verfügung gestellt. Im Kanton Basel-Stadt können die Stellen je nach verbleibendem Budget und Jahr variieren, da nicht fix nach Anzahl Stellen gerechnet wird, sondern nach Dauer der Anstellungen und Pensa. Die Finanzierung der Stellen übernehmen die beiden Kantone sowie die Lehrpraxen, wobei der Kanton den grösseren Teil des Gehaltes der Assistenzärzte abdeckt. Ein Ausbau der Stellen ist aktuell explizit im Kanton Basel-Stadt nicht vorgesehen, trotz stetig grösserer Nachfrage verglichen mit dem erwähnten Angebot.[1,7]

Befragung ehemaliger Praxisassistentinnen und -assistenten
Wo arbeiten die ehemaligen Praxisassistentinnen und Praxisassistenten heute? Wie viele von Ihnen sind als Haus- oder Kinderärztinnen oder -ärzte tätig? Um diesen Fragen nachgehen zu können, wurde vom Basler Institut für Hausarztmedizin zu ­Beginn des Jahres 2022 eine Umfrage bei ehemaligen Praxisassistenten der Kantone Baselland und Basel-Stadt durchgeführt. 50 Ärztinnen und Ärzte, welche zwischen den Jahren 2016 und 2021 eine Praxisassistenz absolvierten, wurden schriftlich mittels Fragebogen befragt. Die Antwortrate betrug 80 % (n = 40).
Die Auswertung der Daten zeigt, dass ­aktuell 40 % (n = 16) der befragten Ärztinnen und Ärzte in einer Haus- oder Kinderarztpraxis tätig sind. Zudem planen vier Ärztinnen und Ärzte in naher Zukunft eine Aufnahme der Praxistätigkeit und weitere sechs sind auf dem Track Hausarztmedizin, jedoch noch nicht in einer Praxis tätig. Meist arbeiten die jungen Ärztinnen und Ärzte nach Praxistätigkeitaufnahme in derselben Praxis, in welcher auch die Praxis­assistenz absolviert wurde (75 %), bleiben also im jeweiligen Kanton (BS oder BL), und das mittlere Pensum beträgt 60 %. Am häufigsten sind die Hausärztinnen und Hausärzte dabei angestellt und arbeiten in einer Gruppenpraxis mit Ärztinnen und Ärzten. In den meisten Fällen (88 %) er­achteten die jungen Hausärztinnen und Hausärzte das Absolvieren der Praxisassistenz sowie die Betreuung durch die Lehrärztin oder den Lehrarzt als «wichtig» oder «sehr wichtig» bei der Entscheidungsfindung zum Beruf der Hausärztin oder des Hausarztes. Die häufigsten genannten Gründe für den Entscheid, in eine Haus- oder Kinderarztpraxis zu gehen, waren «die langfristige Patientenbeziehung», «die gute Work-Life Balance» sowie «die abwechslungsreiche Tätigkeit» des hausärztlichen Berufes.
Den Weg zu einer «anderen» Tätigkeit schlugen lediglich neun Ärzte (23 %) ein, meist zum Beruf des Spitalinternisten oder Psychiaters. Daneben gibt es fünf Ärzte, welche bisher keinen definitiven Entscheid fällen konnten, welchen Weg sie einschlagen möchten. Häufig genannte Gründe gegen den Entscheid für den Hausarztberuf waren «das Interesse für ein anderes Fachgebiet», «das weniger vorhandene Team­gefühl/die weniger vorhandenen Kontakte» oder «der Mangel an manueller Tätigkeit».

Das Praxisassistenz-Programm zeigt Wirkung
Insgesamt 40 % der Ärztinnen und Ärzte, welche in den Jahren 2016–2021 eine ­Praxisassistenz in den Kantonen Baselland oder Basel-Stadt absolvierten, sind heute in einer Haus- oder Kinderarztpraxis im jeweiligen Kanton (BS oder BL) tätig. Bei ­weiteren 25 % ist bereits eine Aufnahme der Praxistätigkeit geplant oder der Track Hausarztmedizin wird weiterhin verfolgt. Über 80 % der jungen Hausärztinnen und Hausärzte nach Praxistätigkeitaufnahme erachteten dabei das Absolvieren einer Praxisassistenz sowie die Betreuung durch die Lehrärztin oder den Lehrarzt als wichtig oder sehr wichtig bei der Entscheidungs­findung für das Fachgebiet.
Evaluationen aus anderen Kantonen be­stätigen die enorme Bedeutung der Praxis­assistenz für den Hausarztberuf. Insgesamt 81 % der ehemaligen Praxisassistentinnen und -assistenten des Kantons Bern sowie 77 % derjenigen des Kantons Solothurn sind heute als Haus- oder Kinder­ärztinnen und -ärzte tätig.[3,8] Vergleichbare Resultate liefert auch die Schweizer Studie von Studerus et al.: Vier von fünf Hausärztinnen und Hausärzte erachteten die ­Praxisassistenz als wichtig oder sehr wichtig bei der Entscheidungsfindung hinsichtlich des Fachgebietes.[4] Oben genannte Erkenntnisse zeigen die Effektivität und den grossen Nutzen der Praxisassistenz deutlich auf. Die Weichenstellung zur Hausärztin oder zum Hausarzt erfolgt demzufolge nachweislich häufig während der Praxis­assistenz-Periode.

Im Vergleich mit den Kantonen Bern und Solothurn zeigt sich jedoch, dass in den Basler Kantonen eine tiefere Prozentzahl an Aufnahmen einer Praxistätigkeit nach absolvierter Praxisassistenz gezählt wurde. Die Gründe hierfür können vielseitig sein. Einerseits war die Evaluationszeit in den Basler Kantonen kürzer im Vergleich zu den Kantonen Bern und Solothurn (5 Jahre versus 10 Jahre), sodass sich möglicherweise viele der zukünftigen Hausärztinnen und Hausärzte, insbesondere Frauen mit Teilzeitarbeit, noch in Weiterbildung befinden. Anderseits könnten kommerzielle Investoren eine Rolle spielen. Immer häufiger kaufen diese Hausarztpraxen auf. Die angestellten Ärztinnen und Ärzte müssen sich dann jeweils an die gewinnorientierten Weisungen ihrer Arbeitgeber halten, was den Hausarztberuf zunehmend unattrak­tiver macht.[9] Eine Konzentration solcher Praxisformen sind für die entsprechenden Anbieter sehr wahrscheinlich attraktiver in einem städtischen Umfeld verglichen mit einer eher ruralen Gegend.
Demographische Veränderungen sowie die vermehrte Teilzeitarbeit und das hohe Durchschnittsalter von Hausärztinnen und Hausärzten verschärfen zukünftig einen bereits vorhanden Hausärztemangel in ländlichen Regionen weiter.[5] Die Patienten sind daraufhin bei relativem Mangel gezwung teure Alternativen aufzusuchen (z. B. Notfallstationen der Spitäler). Die ­Praxisassistenz leistet deshalb einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des unkontrollierten Kostenwachstums im Gesundheitswesen, indem sie den hausärztlichen Nachwuchs fördert und einem allfälligen Hausärztemangel entgegenwirkt.[5] Die ­Praxisassistenz-Programme der beiden Basler Kantone müssen deshalb weiterhin finanziert, gefördert und bezüglich Angebot aufgestockt werden, um künftig einen ausreichenden Bestand an Hausärztinnen und Hausärzten zu garantieren. Politische Entscheidungen sind erfahrungsgemäss langsam. Wir denken, es ist weiterhin ein Thema, das Angebot an Praxisassistenzstellen auszubauen und die Grundver­sorgung der Bevölkerung auf die hausärztliche Schiene zu leiten, in welcher eine kontinuierliche und deswegen auch ­kosteneffektive Versorgung gewährleistet werden kann.

Literatur

1 Jans B, Barbara S-G. Regierungsratsbeschluss vom 7. Dezember 2021: Anzug Sarah Wyss und Kon­sorten betreffend «Überprüfung der Assistenz­stellen in Hausarztpraxen.» Basel, Dezember 2021.
2 Gerber T, Giezendanner S, Zeller A. Measuring ­workload of Swiss general practice: a five-yearly questionnaire-based survey on general practitioners’ self reported working activities (2005–2020). Swiss Med Wkly. 2022 Jun 21;152:w30196.
3 Rozsnyai Z, Diallo B, Streit S. 10 Jahre Praxisassistenzprogramm im Kanton Bern. Schweizerische Ärztezeitung. 2019;100(19):642–643.
4 Studerus L, Ahrens R, Häuptle C, Goeldlin A, Streit S. Optional part-time and longer GP training modules in GP practices associated with more trainees becoming GPs – a cohort study in Switzerland. BMC Fam Pract. 2018;19(1):5.
5 Pegoraro S, Vetter P. Vorlage an den Landrat: Förderung des Hausärztenachwuchses (hausärztliche Praxisassistenzen); Verpflichtungskredit für die Jahre 2018–2020. Baselland, August 2017.
6 WHM, Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin. https://www.whm-fmf.ch, [03-05-2022].
7 Gerber T, Häuptle C, Zeller A, et al. Weiterbildung in Hausarztmedizin – Praxisassistenz in der Schweiz: eine Übersicht in den Kantonen Ende 2021. Prim Hosp Care. 2022. Postprint.
8 Zimmerli L, Fluri M, Droste P, Cina C, Leupold F, Streit S. Erfolgreiche Nachwuchsförderung. Schweizerische Ärztezeitung. 2020;101:948–949.
9 Zürcher H. Gruppenpraxen sind ein Megatrend – ist die Therapiefreiheit gesichert? Schweizerische Ärztezeitung. 2014;95(08).

Dr. med. Tonia Gerber, Dr. med. Sabine Bichsel, Prof. Dr. med. Andreas Zeller

Universitäres Zentrum für Hausarztmedizin beider Basel (uniham-bb)