Rückblick auf die Revisionen der Analysenliste und deren Folgen für das Praxislabor

Die Analysenliste (AL) bildet den Anhang 3 der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV), sie bezeichnet die Leistungen, die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) vergütet werden. Die AL ist eine abschliessende Positivliste und ein Amtstarif. Das heisst, die Tarifpartner können den Tarif nicht untereinander verhandeln. Es obliegt der Kompetenz des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI), die KLV und deren Anhänge jeweils den neuen Gegebenheiten anzupassen. Berücksichtigt werden dabei die Beurteilungen und die Empfehlungen der zuständigen beratenden Kommissionen. Für die AL ist die Eidgenössische Kommission für Analysen, Mittel und Gegenstände (EAMGK) bzw. deren Ausschuss, die EAMGK-AL, zuständig. Jegliche Änderungswünsche einzelner Tarifanwender müssen mittels eines Antrages an das Sekretariat der EAMGK-AL eingegeben werden.
Aktuell enthält die AL etwa 1300 Tarifpositionen. Davon stehen für das Praxislabor 33 «schnelle Analysen», 14 zusätzliche Analysen und zwei Zuschlagspositionen zur Verfügung. Je nach Weiterbildungstitel können noch wenige andere Analysepositionen abgerechnet werden. Eine Grundvoraussetzung zur Abrechnung im Praxislabor ist die Präsenzdiagnostik, d. h., das Ergebnis der Analysen liegt grundsätzlich im Verlauf der Konsultation, also in Anwesenheit des Patienten/der Patientin bereits vor.

Hier ein kurzer Rückblick:

1994 wird die revidierte Analysenliste in Kraft gesetzt.

1997 erfolgen eine Tarifsenkung von 10% für die 50 häufigsten Analysen und eine Einengung des Analysenspektrums für das Praxislabor.

2006 kommt es zu einer linearen Tarifsenkung um 10% auf den Taxpunktwert von 1 auf 0,9 CHF. Am 1. April findet eine Demonstration der Grundversorger in Bern statt; eine Kernforderung ist auch die Erhaltung und Förderung des Dienstleistungsangebotes (Röntgen, Labor, Notfalldienst etc.) in der medizinischen Grundversorgung.

2009 wird der Taxpunktwert auf 1 CHF gesetzt, die AL erfährt eine umfassende Neuberechnung auf Basis der Auftragslabors, woraus in der Folge für das Praxislabor ein Minus von 18–30% resultiert. Als eine der Folgen dieses Verlustes wird die Hausarztinitiative lanciert.

2010 am 1. April wird die Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» eingereicht.

2012 Bundesrat Alain Berset und die GDK lancieren im Juni 2012 in Absprache mit weiteren Partnern den Masterplan «Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung». Damit sollten die Hauptforderungen der Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» erfüllt werden. Im Bereich der Labortarife wird eine bessere Abgeltung für «schnelle Analysen» vereinbart.

2015 werden nur für die Arztpraxis die 33 «schnellen Analysen» eingeführt und die Präsenztaxe gestrichen. Das POCTModell für die schnellen Analysen wurde betriebswirtschaftlich und sachgerecht berechnet.

2017 beginnt das P rojekt «transAL» des BAG mit folgendem Plan: In der Phase 1 erfolgt eine Bereinigung von Nomenklatur und obsoleten Analysen wie auch eine Neuformatierung der Analysenliste. In der Phase 2a wird die Neutarifierung aller Analysen angegangen, ausser der schnellen Analysen; in der Phase 2b nur die Neutarifierung der schnellen Analysen. Das ganze Projekt wird voraussichtlich bis 2025 dauern.

2018 wird die Motion 17.3969 «Tarifpartner sollen Tarife von Laboranalysen aushandeln» angenommen. Ein Gesetzeserlass dazu steht immer noch aus.

2020 tritt die in der Phase 1 des Projektes transAL von obsoleten Analysen bereinigte und neu formatierte Analysenliste in Kraft. Ende 2020 startet die Phase 2 des Projekt transAL.

2021  wird  die Motion 1 9.4492 «Laborkostenzu Lasten der OKP» in der Wintersession angenommen: Der Bundesrat wird beauftragt, die Preise der Laboranalysen zu Lasten der OKP (v. a. im Hinblick zum Auslandspreisvergleich) zu senken.

2022

  • Im Februar wird ein Bericht des Preisüberwachers publiziert: «Coûts des analyses médicales: une comparaison internationale». Der Bericht wird von mehreren Stakeholdern bemängelt.
  • Ebenso wird im Februar in einer Fragestunde des Parlaments zur Motion 19.4492 nachgehakt: «Wann werden die Laborpreise endlich gesenkt?» Der Bundesrat weist am 7. März 2022 darauf hin, dass die zweite Phase der Revision der Analysenliste mit dem Ziel der Neutarifierung aller Positionen der Analysenliste (transAL-2) gestartet sei und es wegen der Arbeiten zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie zu Verzögerungen komme.
  • Die zweite Phase dürfte insgesamt mehrere Jahre dauern, da das EDI den Tarif jeder Analyse neu berechnen wird. Da das Parlament mit der Motion 19.4492 klar einen Handlungsbedarf zum Ausdruck gebracht habe, würden nun Zwischenschritte in die Wege geleitet, damit rasch Einsparungen bei den Laboranalysen zugunsten der Krankenversicherung realisiert werden könnten. Im Vordergrund steht dabei eine durchgängige prozentuale Senkung der aktuellen Tarife als Übergangstarif. Dieser Übergangstarif wird jedoch nur bis zum Abschluss der regulären Neutarifierung aller Positionen der Analysenliste, basierend auf einer
    betriebswirtschaftlichen Bemessung und einer sachgerechten Struktur, gültig sein.
  • Im 2. Quartal 2022 startet das BAG das Projekt HTA «schnelle Analysen». Die Stakeholderkonsultation des Scopingberichtes erfolgt voraussichtlich im Januar/ Februar 2023.
  • Seit dem 1. August 2022 werden alle Tarifpositionen der AL linear um 10% gesenkt. Bei den Änderungen sind nur die schnellen Analysen nicht betroffen, ergänzende Analysen in der Grundversorgung wurden ebenfalls um 10% gekürzt, einschliesslich der Zuschläge, bei denen die Analysen ein oder kein Suffix C aufweisen. Die lineare Senkung gilt so lange, bis das EDI die Tarife überprüft und angepasst hat.

Dr. med. Susanne Christen

Dr. med. Susanne Christen ist stellvertretende Abteilungsleiterin «Ambulante Versorgung und Tarife» bei der FMH